Schule
Was hat der «Unconscious Bias» mit typischen Frauen-/Männerberufen zu tun?
Was hat der «Unconscious Bias» mit typischen Frauen-/Männerberufen zu tun? Wieso wählen laut Bildungsstatistik des Kantons Zürich aus den über 200 Lehrberufen 75% der Mädchen aus nur 12 Berufen aus? Und 75% der Jungen aus nur 25 Berufen? Hier erfährst du mehr!
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Geschlechtsspezifische Berufswahl (Quelle: Bista, Schul- und Berufswahl Kt. Zürich, 2022)
Was hat der «Unconscious Bias» mit typischen Frauen-/Männerberufen zu tun?
Heutzutage scheint die Berufswahl von jungen Menschen nicht mehr vom Geschlecht abzuhängen, dem sie sich zugehörig fühlen. Jedoch zeigen uns Zahlen, dass in der Schweiz weiterhin viele Berufe mehrheitlich von Frauen oder von Männern ausgeübt werden. So gibt es noch immer gewisse Berufe und Branchen, die als «typisch männlich» oder «typisch weiblich» gelten. Eine Studie aus dem Jahr 2005 zeigt, dass fast die Hälfte der weiblichen Erwerbstätigen in zehn von insgesamt 400 Berufsfeldern tätig sind. Das hat sich seither nicht verändert. Im Gegenteil: Aktuelle Studien bestätigen, dass die Mehrheit der Berufslernenden ihren Beruf nach wie vor geschlechtsbezogen wählt (vgl. Nef 2021: 42). So zeigt auch das Berufswahlspektrum der Jugendlichen im Kanton Zürich, dass aus den über 200 Lehrberufen 75% der Mädchen aus nur 12 Berufen auswählen. Bei den Jungen ist das Spektrum etwas breiter: 75% wählen aus 25 verschiedenen Berufen aus (Bista Zürich 2022).
Der sogenannte «Unconscious Bias» spielt bei der Berufswahl von Jugendlichen eine Rolle. Das sind unbewusste Vorurteile, also tief verwurzelte Annahmen und Stereotype. Sie beeinflussen unser Denken und Handeln, ohne dass wir es bewusst wahrnehmen. Doch warum beeinflusst uns der «Unconscious Bias»? Wir Menschen tendieren dazu, intuitiv und unbewusst Urteile oder Entscheidungen über Situationen und andere Personen zu fällen: Wir stecken sie in Kategorien. Das Gehirn muss täglich unzählige Entscheidungen treffen. Nur durch ein solches Kategoriensystem ist es möglich, die Welt um uns herum zu verarbeiten und im täglichen Leben zu funktionieren. Gleichzeitig kann das aber auch zu Fehleinschätzungen und Diskriminierung führen. Oftmals geschieht das schleichend, ohne dass wir es beabsichtigen oder sogar bemerken. Deshalb lohnt es sich, immer mal wieder kritisch darüber nachzudenken, woran wir glauben. Wir können uns selbst die Frage stellen: «Stimmt das noch oder habe ich ein Vorurteil verinnerlicht?»
Beispiel Unconscious Bias:
Ein Unternehmen sucht nach einer neuen Geschäftsleitung. Es gibt zwei Kandidierende: Lisa und Michael. Lisa hat einen beeindruckenden Lebenslauf, umfangreiche Erfahrung in der Branche und nachweisliche Erfolge in früheren Führungspositionen. Auch Michaels Lebenslauf beeindruckt das Rekrutierungsteam und er hat vergleichbare Erfahrung wie Lisa.
Bei der ersten Durchsicht der Bewerbungsunterlagen könnten unbewusste Vorurteile eine Rolle spielen. Aufgrund von Vorstellungen, die wir über Geschlechterrollen haben, kann das Unterbewusstsein bestimmte Annahmen treffen. Beispielsweise, dass Frauen eher für soziale oder unterstützende Rollen geeignet sind, während Männer eher als Führungskräfte betrachtet werden. Obwohl Lisa und Michael vergleichbare Qualifikationen haben, können unbewusste Vorurteile dazu führen, dass Lisa als weniger geeignet für die Führungsrolle wahrgenommen wird.
Dieses Beispiel verdeutlicht, wie unbewusste Vorurteile dazu führen können, dass Menschen aufgrund ihres Geschlechts (oder anderer Merkmale) benachteiligt werden. Und das auch dann, wenn ihre Fähigkeiten und Leistungen vergleichbar oder sogar überlegen sind. Solche unbewussten Vorurteile können sich auf das gesamte Arbeitsleben auswirken; von der Bewerbung und Einstellung bis hin zur Beförderung und Karriereentwicklung.
Es gibt jedoch nicht nur Vorurteile, die wir unbewusst verinnerlichen. Folgende zwei «Biases» können die Berufswahl ebenso beeinflussen:
Confirmation Bias
Beim «Confirmation Bias» suchen wir nach Beweisen, die unsere Ansichten unterstützen. Oder wir interpretieren gegenteilige Informationen so, dass sie unsere bestehenden Überzeugungen und Vorurteile bestätigen.
Wählen wir einen Beruf aus, so haben wir oftmals verinnerlicht, dass dieser oder jener Job besser zu einem gewissen Geschlecht passt. Auch wenn wir uns vertieft informieren, begegnen wir solchen geschlechtsstereotypen Informationen. Diese gewichten wir stärker als gegenteilige Informationen wie beispielsweise Handwerkerin oder Pflegefachmann, weil sie uns in unserer Überzeugung bestätigen.
In-Group Bias
Beim «In-Group Bias» bewerten wir Menschen, die uns ähnlich sind, sehr positiv. Beispielsweise unsere Familie, Freundinnen und Freunde oder Personen mit dem gleichen ethnischen oder auch religiösen Hintergrund. Was sie sagen, zählt für uns. Wir gehören schliesslich zusammen und vertrauen einander. Es ist wichtig, sich vor der Berufswahl im Umfeld auszutauschen. Glauben wir aber allen Meinungen unserer Freundinnen und Freunde oder unserer Familie ohne diese auch kritisch zu hinterfragen, kann das dazu führen, dass wir anderen Meinungen von Personen ausserhalb unseres Umfelds, misstrauischer gegenüberstehen.
Was kannst du dagegen tun?
Über deine Überzeugungen und Vorurteile zu reden, hilft dabei, wichtige Entscheidungen bewusster zu fällen.
- Um nicht in die Falle des Confirmation Bias zu tappen, ist Selbstreflexion wichtig. Denn, wir Menschen liegen nicht gerne falsch. Frage dich deshalb, ob du Informationen neutral betrachtest oder ob du versuchst, deine eigene Meinung zu bestätigen.
- Rede mit verschiedenen Personen über deine Berufsideen, um möglichst viele und unterschiedliche Feedbacks zu erhalten. So erweiterst du deine Informationsquellen und wechselst auch mal die Perspektive.
Falls du mehr darüber wissen möchtest, besuche uns an unserem Stand an der Berufsmesse Zürich 2023!
Literaturverzeichnis:
Nef, Susanne (2021): Pflegende – fürsorgliche – Männer (endlich!): der Ausgangspunkt für eine emanzipative Vergesellschaftungsweise?, in: Meisel/Truninger (Hrsg.): Auf weiblichem Terrain: Pflegefachmänner im Porträt, Bern: Hogrefe Verlag, 41-47.
Schul- und Berufswahlen: Gewählte Berufslehren (2022): Bildungsstatistik Kanton Zürich (Bista - Gewählte Berufslehren nach Häufigkeit (zh.ch), Zugriff am 03.07.2023).